Margarete Wein

 geboren:

29.7.1947

 Adresse:

Emil-Grabow-Straße 27     06128 Halle

 Telefon:

0345 / 120 82 10

 E-Mail:

 zweimalwein@yahoo.de

 

Biografie:

Geboren in Bergen auf Rügen. In Halle seit 1951. Schulbesuch 1954 bis 1966 (Abitur an der Latina). 1966 bis 1969 verschiedene Gelegenheitsjobs.
1969 bis 1977 Lehrerstudium und Forschungsstudium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Diplom 1973, Promotion 1977).
1977 bis 1991 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Germanistik für Ausländer / Deutsch als Fremdsprache.
1991 bis 2009 Tätigkeit im Bereich Öffentlichkeitsarbeit der MLU, zuletzt verantwortliche Redakteurin des universitären Printmagazins „scientia halensis“ und des online-Magazins der Universität.

Bibliografie:

Zeitdruck für Mußestunden, Lyrik (illustriert mit Kupferstichen aus dem Kupferstichkabinett der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), 2009, Halle, mdv
Das Felseneiland, Großvater Buchholtz und sein Märchenbuch (vierzehn Märchen und eine Liebeserklärung an die Stadt Halle, illustriert mit Federzeichnungen, Aquarellen und Holzschnitten des ehemaligen Universitätszeichenlehrers Ullrich Bewersdorff und von Schülern des Burggymnasiums Wettin), 2010, Halle, mdv
NeuBegierde, Gedichte über Liebe (illustriert mit Kupferstichen aus dem Kupferstichkabinett der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), 2012, Halle, mdv
Mein liebstes Spielzeug. gedichte und geschichten – aus traum oder wirklichkeit, Hallesche Autorenhefte 57, 2012, Halle, Förderkreis der Schriftsteller in Sachsen-Anhalt
Abland. Traumernte aus sieben Jahren, Prosa, (illustriert mit zwölf Cyanotypien des halleschen Künstlers Klaus Friedrich Messerschmidt aus dem Kupferstichkabinett der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), 2013, Halle, mdv

Gelegentlich Beiträge (auch Rezensionen) in Zeitungen, Magazinen und Anthologien, so in „ort der augen“, „Palmbaum“, Universitätsmagazin „scientia halensis“, Stadtmagazin „Zachow“ etc. pp.
Beteiligung an lokalgeschichtlichen Projekten und an einem Rundfunkprogramm

Arbeitsgebiete:

Lyrik, kurze Prosa (Geschichten, Träume, Miniaturen),

Themenangebote:

Lesungen (gern mit Gespräch) aus den oben genannten Büchern und/oder aus unveröffentlichten Manuskripten - je nach Textauswahl für verschiedene Alters- und Interessengruppen geeignet.

Textproben:

 

Endlich Afrika

(Traum)

Ich fahre in einem Superluxuszug durch Afrika; das Ticket habe ich von einer mir bis dato unbekannten Tante geerbt; sie hatte - anstelle einer Reiserücktrittsversicherung - bei der Buchung in Johannesburg ein sogenanntes Reisetestament zu meinen Gunsten aufgesetzt. Es besagte, falls sie vor Antritt dieser Reise stürbe, solle ich ohne Extrakosten ihren Platz einnehmen können. Eine Woche vor dem Starttermin hatte sie das Zeitliche gesegnet - ich erfuhr es durch einen Sonderkurier des Reiseunternehmens, der auch schon einen Flug für mich gebucht hatte -, und nun sitze ich im Zug. Mir fällt mir ein, dass ich ja schon immer für eine Weile auswandern und in Afrika arbeiten wollte, vielleicht Deutsch unterrichten an einer Schule in Tansania. Ich schaue in den Fahrplan und sehe, dass Daressalam eine der Stationen ist, an der dieser Zug halten wird. Das passt gut, denn ein ehemaliger Kommilitone von mir ist Professor an der dortigen Universität, also im ehemaligen Deutsch-Ostafrika, er wird mir was vermitteln können. Zufällig habe ich eine größere Anzahl meines ersten und bisher einzigen Buches im Koffer, als halber Klassensatz könnte das vorerst für den Literaturunterricht reichen. Schiefgehen kann eigentlich nichts, zumal ich mich jetzt auch noch daran erinnere, dass ich vor ein paar Jahren mal einen Basiskurs in Swahili besucht habe und dass es in dieser Sprache bis heute Wörter gibt, die vor mehr als 100 Jahren von den Deutschen eingeführt wurden, zum Beispiel HOTEL und SCHULE.
Und plötzlich sitze ich fünf ernsthaften alten Männern gegenüber, zwei sind rabenschwarz, zwei haben die Farbe von Milchkaffee, nur einer ist weiß. Würdig weiße Haare haben sie alle. Das ist die Prüfungskommission, weiß ich gleich, und warte nicht erst, bis sie mich was fragen. „Auf keinen Fall bin ich eine Quotenfrau. Alles was ich mache, kann ich gut. Und mein Buch - ich gebe jedem der Herren ein Exemplar in die Hand - wird den Schülern ganz bestimmt gefallen!“ Die fünf blicken zuerst auf die Bücher, dann kopfschüttelnd einander an. Schließlich wendet der Weiße den Kopf ein wenig in meine Richtung und sagt zu den anderen, die sofort beifällig nicken: „ZEITDRUCK heißt das Buch - was will die damit in Afrika?“ Dann fangen alle wie auf Kommando an wiehernd zu lachen und sich auf die Schenkel zu schlagen vor Vergnügen. Einer der beiden Schwarzen schiebt mich sanft in Richtung Tür und flüstert mir verschwörerisch zu: „Kommen Sie einfach mit Ihrem nächsten Buch wieder, vielleicht klappt es dann!“
Draußen steht mein Ex-Mitstudent und hebt bedauernd die Schultern: „Ich konnte nichts machen, das sind solche Machos, das glaubst du nicht. Und seitdem sie in den Zeitungen vom Klimawandel und von der Finanzkrise gelesen haben, mögen sie uns Deutsche überhaupt nicht mehr.“ Das sagt er nur so, denke ich zutiefst enttäuscht und wende mich wortlos ab. „Ich weiß nicht einmal, wie lange ich selber noch bleiben darf!“, ruft er mir hinterher. Das interessiert mich aber gar nicht, ich will wieder in den Zug - doch der ist längst abgefahren …

April 2010

 

 

        Mein ungekannter Onkel

Am Rand des kleinen Friedhofs
klaghelle Kreuze
dreißig oder mehr
Grabinschriften
lückenhaft ungefähr
Jahre später erst rekonstruiert
      Im Namen
      eines der Toten
      fehlt der Buchstabe
      „t“
Dem hier vergrabenen Leib
fehlte ein Fetzen Haut
ihm fehlten Rippensplitter
ein Stück Herz
und ein ganzes Leben:
      Robert Buchholtz
      geboren am 30. November 1926
      in Binz auf Rügen
      am Ostseestrand
      gefallen am 18. April 1945
      in den Wäldern
      bei Hüttenrode
      im Harz

 
 

 

          Leben wider die Zeit*

Doctor iubilarum in Lund!
Den alten Medizinprofessor Isaak Berg
suchen die Nacht davor
Gesichte heim:
Geisteruhren zeigerlos
Eine Kutsche rast rückwärts
in die wilde Erdbeerzeit
Flüchtig erinnert er dies und das
Eine kalt gewährte Absolution
Strafe - die übliche:
Einsamkeit
im Traum wie im Leben
Hoffnungen:
Die Tramper gen Italien
Marianne
Das Kind

      * Ingmar Bergmans „Wilde Erdbeeren“, Schweden 1957,
        auf der Berlinale 1958 mit dem „Goldenen Bären“ geehrt;
        sogar auch in DDR-Kinos gezeigt - und trotzdem fast vergessen;
        ein halbes Jahrhundert später diesen Kultfilm im TV wieder gesehen

 


Miniaturen


Seitdem ihr Vater ein Pflegefall war, achtete Karla darauf, dass er keinen Moment mehr sich selbst überlassen blieb. Entweder war eine Pflegerin bei ihm oder die noch rüstige Nachbarin oder eben Karla selbst. Eines Abends aber war kein Brot mehr da. Die Nachbarin war im Urlaub, Karla eilte zum Supermarkt um die Ecke. Als sie nach fünf Minuten mit dem Brot zurückkam, lag ein karierter Filzpantoffel im Rinnstein vor dem Haus, genau so einer, wie der Vater sie seit 20 Jahren trug. Karla erschrak.


Die Eltern wussten es nicht, doch Anna jobbte nur noch und hatte das Studium längst aufgegeben. Sie schickten weiterhin regelmäßig Geld und freuten sich auf die Zeit, da sie stolz sagen könnten: Unsere Tochter hat ein Diplom! Anna aber sparte alles für ihren Traum. Als sie im Mai auf ihrem Konto die notwendige Summe sah, fuhr sie per Auto-Stop nach Berlin und kaufte sich ein Ticket nach Sydney. Vorm Abflug steckte sie eine Karte in den Kasten, mit lieben Grüßen an Mama und Papa und bat sie, sich keine Sorgen zu machen.


Es war einmal ein altes Paar. Die beiden hatten viel miteinander erlebt, Gutes und Schlechtes. Sie mochten sich noch immer sehr gern, und keines wollte ohne das andere sein. Eines Tages verkauften sie ihr Häuschen und hatten nun Geld genug für viele schöne Reisen. Seither lernen sie unablässig neue Leute, Städte und Länder, Berge und Meere kennen. Dabei sind sie ausnahmslos mit dem Flugzeug unterwegs und hoffen, auf diese Weise einmal gemeinsam aus der Welt zu gehen.