Jürgen Bernt-Bärtl

 geboren:

23.8.1944

 verstorben:

18.1.2003

 
     :

Biografie: 

Böhmischer Herkunft (Kadan), nach Grundschule und Abitur in verschiedenen Berufen tätig. 1972 bis 1976 Studium am Literaturinstitut Leipzig. 1988 Abschluss Studium Kulturtheorie/Ästhetik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Nach der Wende für Umweltorganisationen am Runden Tisch in Berlin. Mitbegründer mehrerer Umweltorganisationen, Referatsleiter Deutscher Umwelttag Frankfurt/Main. Später Qualifikation zum Industriekaufmann; tätig im Gewerbe, Bereich Umwelt.

Bibliografie:

Spiralhopser, Erzählungen, 1976, Halle, Mitteldeutscher Verlag
Der Wahrheitsapostel, Theaterstück, 1985, Erstaufführung Wolfen

Mehrere Hörspiele, vor allem zum Thema Umwelt, z.B. Der Tierfotograf und der Junge
Publikationen in Anthologien (zuletzt vorwiegend in Kärnten/Österreich)

Arbeitsgebiete:

Erzählungen, Hörspiele

Textproben:

Es ist der Schönheit willen

Es ist der Schönheit willen,
die mich drängt und zwingt,
da ich deinen Venusberg
zum ersten Mal sah,
mitten im Gras, mitten im Wald
unter dunkelwissenden Bäumen.
Auch wie schmerzlich schön er doch war
und noch ist, dass ich ihn besingen muss:
Diese geheimnisvollen Blätter,
von weißen Schenkeln umrahmt
und wie ein magisch Pfeil
die Nabellinie abwärts
auf ihn weisend
gleich Gotteshand.
Die Pralle der Lippen gefüllt,
halb versteckt das sanfte Rot,
und wie sich’s wölbt, entgegenbiegt,
die magisch schwarze Blume,
im Gras des Waldes
unter wissenden Bäumen,
weit südlich von hier,
wo über Ebenen allabendlich
der betörende Moschusgeruch liegt.

Aus: „Unke Nr.16“ (Kärnten)

 
 

Als er mit aller Kraft absprang, spürte er sofort, wie ihn ein leichter Aufwind erfasste, der aus dem Tal geweht kam und der nach Heu duftete. Er schwebte leicht wie eine Feder. Ängstlich und mit angehaltenem Atem sah er sich nach dem Spiralhopser um. Der Spiralhopser war auch abgesprungen und kam nun langsam näher. Sein grünes und blaues Auge blinkte heiter. Von Minute zu Minute fühlte sich der Junge leichter und unbeschwerter, und plötzlich hatte er überhaupt keine Angst mehr. Jetzt hätte er am liebsten Purzelbäume schlagen mögen.
Es war ganz still um sie herum. Nur manchmal hörte er unter sich das pfeifende Geräusch fliegender Vögel. Und er hörte sogar die Bläßhühner im Schilf des Flusses, und den Fährmann hörte er, der zu später Stunde noch jemanden über den Fluss fuhr. Er sah das Wasser der Saale glänzen, und dann blinkten unter ihm die erleuchteten Fenster von Leiseberg, und langsam schwebten sie auf die Schönburg zu.
Wie der Spiralhopser sah auch Georg neugierig nach allen Seiten, nach vorn und hinten und vor allen Dingen immer wieder nach unten. Und wie dieser musste er jetzt auch vor Freude lächeln.
Wie schön es geht, sagte der Junge. Ganz leicht. Ich kann jetzt richtig fliegen?
Der Spiralhopser, der ganz dicht neben ihm herflog, nickte lebhaft.
Wie die Sieben Raben oder die Sechs Schwäne oder der Fliegende Teppich?
Der Spiralhopser nickte wieder zustimmend.
Sie landeten neben der Schönburg im weichen Wiesengras. Der Junge spürte den Aufsprung fast überhaupt nicht, so sanft war er. Dann sprangen sie wieder über Roggen-, Klee und Kartoffelfelder. Aber nun dachte Georg immer an den gewaltigen, schönen Sprung über das Saaletal.

Aus: „Der Spiralhopser“ (Geschichten einer Kindheit)