Ronald W. Gruner

 geboren:

 

 Adresse:

c/o: Förderkreis der Schriftsteller, Böllberger Weg 188, 06110 Halle

 Telefon:

0345 / 283 22 57 und 0171 / 11 50 480

 E-Mail:

 ronaldgruner@web.de

Biografie: 

Geboren in Halle. Gelernter Elektromonteur und Diplom-Politikwissenschaftler. Seit 2000 Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller (VS). Seit 2006 Vorsitzender des Förderkreises.
Zur Zeit freiberuflich tätig als Schriftsteller, Schauspieler und Journalist.

Bibliografie:

Nullgebock, Gedichte und Lieder, 1995, Halle, uräus-Handpresse
Die Sprache der Bäcker, Gedichte, 2000, Halle-Zürich, Verlag Janos Stekovics
Der Geschmack von Waldmeisterlimonade, Prosa, Halle-Zürich, 2003, Verlag Janos Stekovics
Revierköter, Band 2, Text-Bild-Band mit drei Leipziger Autoren und Fotografen, 2008, Leipzig, Verlag PaperOne
Gleiche Zeit - anderes Land, Kurzgeschichten, 2016, Dessau, Machtwort-Verlag

Arbeiten für die Bühne

Moby Dick and other assorted lovesongs, Szenen, Texte und Lieder, gemeinsam mit dem Musiker Remco Ubbels, 2002, Premiere an der theatrale in Halle
Eigentlich wollte ich Fleischer werden, Drei Kleinstakter; gemeinsam mit dem Schauspieler Maciej Marek Lysakowski, 2002
Gürtellinie, 2016

Beteiligungen an Anthologien

Murx den Europäer, Edition Pulverweide, 1997
Du Mann - Ich Frau, Prosa und Lyrik zur Liebe, 2003, Halle, Förderkreis der Schriftsteller in Sachsen-Anhalt
Ofra, Die schönsten Liebesgedichte aus zehn Jahren, 2004, Halle, Verlag Janos Stekovics

Arbeitsgebiete:

Lyrik, kurze Prosa, Bühnenprogramme und Moderation

Themenangebote:

Lesungen für Erwachsene und Schüler ab der 10. Klasse

Textprobe:

Straßenbahn mit gotischem Fenster

Am Ende der Nacht die Straßenbahn
Und das Gelächter der Töchter des Hauses
Die längst mir schon weißhaarig begegneten
In unvorsichtigen Stunden
Im Feld und als Wasserleichen
Und wenn der Frost mir den Schädel zwang
Nach schwarzen Bieren
Habe ich sie fluchen gehört
Die Pferdeknechte und Menschentöter
Zweimal im Jahr ziehen die Krähen über die
Dächer der Stadt

Ich hörte sie tafeln und fröhliche Lieder singen
Die tüchtigen Leute
Das waren wohl gute Zeiten
Und ein trat ich
Bedächtigen Schrittes
Sie nicht zu verstören
Bat da ich sonst nichts zu geben besaß
Mit ihnen am Abend um Schutz und Erlösung

 

 

  blau in berlin und dann noch orangen

das ist die welt der törtchen und der kuchen
sangen die tanten als sie kind war
später dann in den morgenstunden kamen
die beschwörer ihrer möse und
an den nachmittagen wandelten adlige herren
mit sezierten tieren in der allee vor ihrem haus

sie gebar einen hund
ein mischbrot und drei roggenbrötchen

Aus: „Die Sprache der Bäcker“

 
 

Hans im Glück, 1968 ff

Das Kind konnte die Kuh nicht malen. Hans tauscht gerade die Gans gegen eine Kuh. Dass es die Kuh nicht malen könnte, wusste das Kind nicht, als es das Bild begann.
Eine Kuh nicht malen zu können ist nicht schlimm, sagte der Lehrer. Der aussah, wie Zeichenlehrer aussehen müssen. (Bestimmt hatte er sein Bein im Krieg verloren. Sein Mathematiklehrer hatte, so ging das Gerücht, eine Metallplatte als Schädeldecke.) Hinten geht die Kuh so. Der Lehrer malte es auf.
Und wenn du nicht weißt, sagte der Lehrer, wie die Kuh vorn aussieht, stellst du einfach den Hans davor.

 

Die letzten drei Jahre

Er war Busfahrer und sah aus wie Busfahrer aussehen. Seine Frau, eine Fleischverkäuferin, die aussah wie Fleischverkäuferin aussehen, arbeitete in einem Supermarkt, der aussah wie Supermärkte aussehen. Die letzten drei Jahre waren vergangen, wie drei Jahre vergehen.

Aus: „Der Geschmack von Waldmeisterlimonade“

 

Norge Jansen hatte sich einen Mantel gekauft

Eigentlich nur eine lange Jacke. Aber sie war aus gutem Material. Und er hatte vier Jahre lang dafür gespart.
In der Tasche trug er vier Geldstücke. Dafür wollte er in der Stadt Bier trinken, einen Streifen gebratenes Schwein essen und sich ein Stück im Theater ansehen. Zunächst ging er ins Gasthaus. Er bestellte ein großes Bier, einen Streifen vom Schwein mit Brot und Kraut, hängte seinen Mantel an den Nagel und setzte sich. Als das Bier kam, trank er einen kräftigen Schluck. Er dachte an seine Frau, die vor fünf Wintern gestorben war und die seine einzige Frau war. Als das Stück vom Schwein kam, begann er zu essen. Er trank kleine Schlucke Bier dazu, gut eingeteilt, und als er mit dem Schwein fertig war, den Rest vom Bier in einem Zug. Das war gut, sagte sich Norge Jansen, bezahlte den Wirt mit zwei Geldstücken, erhob sich und wollte gehen. Doch sein Mantel war weg. Norge Jansen fragte den Wirt, Norge Jansen fragte die Gäste. Er suchte im ganzen Raum, er suchte an jedem Nagel. Norge Jansen suchte hinter den Stühlen und zum Schluss sogar unter den Tischen. Die Gäste und der Wirt schwiegen. Norge Jansen ging.
Er ging über den Markt zur Kirche, um seinem Herrn sein Leid zu klagen. Er saß in der Kirche und klagte sein Leid. Vier Jahre lang hatte er auf den Mantel gespart. Draußen war ein heller Tag. Kalt, aber hell. Und buntes Licht fiel durch die Scheiben. Nur durch eine nicht, die hatte der Sturm im letzten Winter zerschlagen. Norge Jansen spendete eines von seinen zwei Geldstücken für das neue Glas. Norge Jansen ging.
Erst über den Markt, dann am Theater vorbei, und wollte aus der Stadt. Doch da bemerkte er, dass er beobachtet wurde. Von einer Frau, deren Kleider sehr leicht und fast durchsichtig waren. „Du darfst mich küssen", sagte die Frau. Und sie sagte, „hier, fühlst du, wie kalt ich bin." Da gab Norge Jansen ihr sein letztes Geldstück und verließ die Stadt. Die Frau lachte ihm nach, und Norge Jansen wusste nicht, ob sie irr war oder ob sie ihn auslachte.

Norge Jansen kam ohne seinen Mantel nachhause. Unterm Arm trug er eine kaputte Uhr. Die hatte er gefunden. Vielleicht, dachte er, ließe sie sich reparieren.

Aus: „Herr Zwiebel oder Waffenschrank und Heldenlieder“

 

 

ich meine der ball war
ein haus war ein ball und
hatte das bezauberndste
lächeln das ich je sah er
war aber nicht rund wie
bälle sind und nicht
eckig als haus einige
sagen heute er hätte nach
knoblauch gerochen andere
er hätte zum ende hin oft
stark geblutet und geweint

Aus: „Die Sprache der Bäcker“