Evelyn Aissa Maadaoui

 geboren:

20.9.1957

 Adresse:

Grüne Straße 26       06467 Hoym

 Telefon:

034741 / 713 85

 E-Mail:

eaissa@web.de  

Biografie:

1976 Abitur, Buchhändlerin. 1981 bis 1984 Fernstudium am Literaturinstitut in Leipzig. Seit 1988 in der Stadtverwaltung Hoym, seit 1994 in der Verwaltungsgemeinschaft Hoym-Nachterstedt im Bereich Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt. Mit einem Algerier verheiratet, 2 Kinder.

Bibliografie:

Miloud und der Verräter, 1987, Berlin, Kinderbuchverlag
Die Stadt der Jaguare, 1988, Berlin, Verlag Neues Leben
Das Geheimnis der Mayapyramide, 1989, Berlin, Kinderbuchverlag
Der Gott der Lavahöhlen, 1990, Berlin, Verlag Neues Leben

Arbeitsgebiete:

Kinder- und Jugendbuch

Themenangebote:

Lesungen aus den aufgeführten Titeln und Manuskripten für Kinder ab 12 Jahre und Jugendliche

Textprobe:

„Wer ist er?“, murmelte das Mädchen verwirrt, als könnte ihr die Mutter Antwort geben. Sie erinnerte sich, ihn im Traum gesehen zu haben, der Traum war wieder gegenwärtig.
„Erzähle, was du geträumt hast“, bat die Mutter.
„Ich war wieder in der Höhle. Ist es eine Höhle? Ich weiß es nicht, aber es war finster und feucht. Etwas war da. Ein Tier? Ich tastete mich mit den Händen voran, nirgendwo war ein Lichtschimmer, keine Öffnung in der Decke. Felsgestein. Dann hatte ich eine brennende Fackel in der Hand, in ihrem Schein erkannte ich Wasser, einen See zu meinen Füßen. Das Licht der Fackel spiegelte sich darin, und etwas blitzte gelblich. Ein Gesicht! Ein Gott! Er hatte einen Rüssel, keine Nase. Seine Augen funkelten vor Zorn. Um sein Haupt zuckten Blitze.
Ich konnte mich nicht rühren, aber ich wusste, er würde mich töten. Er zürnte mir, weil ich in sein Reich eingedrungen war. Dafür würde er mich strafen, mich in einen Stein verwandeln, wie da viele standen. Ich schrie. Plötzlich löste sich das Gesicht auf, an seine Stelle trat das Gesicht des Alten.“
„Der dich verbunden hat?“, fragte die Mutter mit sehr ruhiger und sanfter Stimme.
„Woher weißt du das? Hat Roberto es dir erzählt?“
„Ich habe es an der Art gesehen, wie deine Wunden verbunden wurden.“
„Dann kennst du ihn!", fuhr das Mädchen auf. „Wer ist er?“
„Ein Ahmen!“
„Ein Zauberer also.“
„Das ist nicht ganz richtig“, widersprach die Mutter. „Ein Heilkundiger, einer, der Kräuter und Wurzeln kennt, der Kranke heilt, das ist ein Ahmen. Das vor allem.“
„Daneben Zauberei“, beharrte das Mädchen, und die Mutter nickte.
„Auch das. Sie sind Bewahrer des Alten. Sie kennen Geheimnisse.“
„Aber woher kennst du ihn? Du hast mir niemals von ihm erzählt.“
Jovita wurde allmählich müde. Sie fühlte, dass ihr die Augen zufielen, aber die Neugier war doch stärker.
„Auch mir hat er einmal das Leben gerettet“, berichtete die Mutter. „Ich war damals noch ein kleines Mädchen. Er hat mich von einem Schlangenbiss geheilt. Alle hatten mich schon als verloren aufgegeben. Es ist beim Spielen geschehen. Ich habe nichts gespürt und bemerkt. Ich sah die Schlange weghuschen, mehr nicht. Später bekam ich Fieber. Mir wurde übel. Ich erzählte Mutter von der Schlange, da begann sie zu weinen. Es war zu spät. Sie hat die kleine Wunde ausgeschnitten und ausgesaugt, aber ich sah ihr an, dass sie Abschied nahm von mir. Da kam er. Ich sah ihn noch aus dem Wald treten und auf unsere Hütte zukommen, ehe ich das Bewusstsein verlor. Dies Gesicht vergisst man nie wieder. Diese Augen, als wären sie ohne Alter, und dabei war seine Haut schon damals voller Runzeln und Falten. Später sagte man mir, er habe mich geheilt. Ohne ihn wäre ich gestorben.
Ich sah ihn noch einige Male wieder, denn damals kam er noch manchmal in das Dorf, aber auch schon damals war das sehr selten. Er lebte abseits von Menschen, die ihn ohnehin mieden, da sie ihn fürchteten.“
„Warum?“, fragte Jovita. „Er schien mir gut zu sein. Man braucht ihn nicht zu fürchten.“ Ihre Stimme kam schwer, so als gehorchte sie ihr nicht.
„Das glaube ich auch“, stimmte ihr die Mutter zu. „Aber die Menschen fürchten stets, was ihnen fremd oder unbegreiflich ist. Und die Ahmen lieben die Einsamkeit. Sie fühlen sich dann der sie umgebenden Welt näher. Die Dinge des Alltags lenken sie nur ab, die Neugier der Menschen ist ihnen nicht willkommen. Dann sagt man auch“, dämpfte die Mutter ihre Stimme jetzt zu einem Flüstern, „dass er schon noch ins Dorf kommt, aber in der Gestalt eines Coyoten.“

Aus: „Das Geheimnis der Mayapyramide“